Mental Health
Spotlight
Die Schule stresst, die Eltern oder die Freund*innen nerven, ein „Crush“ geht schief – manchmal kommt einfach alles zusammen. Lassen wir uns davon nicht runterziehen! Aber wie?
Erinnert sich noch wer an die Pandemie? Die mühsame Zeit mit den Lockdowns und dem Homeschooling. Die haben wir glücklicherweise hinter uns. Aber kaum war Corona vorbei, begann der Krieg in der Ukraine, und Ende 2023 kam dann noch der Konflikt im Gazastreifen dazu. Wir hören viel von Inflation und von Migration und natürlich von der Klimakrise. Das löst bei vielen Menschen Zukunftsängste aus.
Zugegeben, die Kriege und die Teuerung scheinen uns Schüler*innen auf den ersten Blick nicht unmittelbar zu treffen. Aber oft merken wir, dass unsere Eltern sich Sorgen machen, und so bekommen auch wir etwas von der Stimmung mit. Die Zeiten sind nicht lustig – das kann einen schon ein bisschen runterziehen.
Die Problemliste
Und da haben wir mit unserem eigenen Umfeld noch gar nicht angefangen. Leistungsdruck in der Schule? Sowieso. Probleme mit den Eltern, den Geschwistern, den Freund*innen? Können passieren. Ein kleiner unglücklicher „Crush“ oder ein großer Liebeskummer? Kommen vor. Wird uns das hie und da alles zu viel? Manchmal schon.
Ganz abgesehen von den Fragen über uns selbst, die wir uns oft genug stellen. Oder sagen wir lieber abgesehen von den Zweifeln, die uns ein bisschen quälen. Sehe ich gut genug aus? Passt meine Größe, mein Gewicht? Oder habe ich da und dort zu viel oder zu wenig? Wirke ich trotzdem attraktiv auf die anderen? Werde ich von meinen Freund*innen gemocht und respektiert? Bin ich beliebt? Intelligent? Fühle ich mich von meiner Familie oder meinen Freund*innen zu wenig beachtet, falsch verstanden oder gar unverstanden? Fühle ich mich „anders“ als die anderen? Stimmt etwas nicht mit mir? Wie steht es um mein Selbstwertgefühl: Empfinde ich die anderen als attraktiver, beliebter, bessergestellt oder gescheiter als mich?
Psychisch gesund
Die Liste der möglichen Probleme und Belastungen ist lang, und das hier war nur ein kleiner Auszug daraus. Wenn wir Probleme erkennen, uns davon aber nicht zu sehr bedrängen bzw. unterkriegen lassen, ist das ein gutes Zeichen dafür, dass wir psychisch gesund sind.
Der englische Begriff für psychische Gesundheit ist „mental health“. Das bedeutet, dass wir uns insgesamt gesund und ausgeglichen fühlen: nicht nur körperlich, sondern auch psychisch und emotional; und dass wir uns in unserem Umfeld – unsere Familie, unsere Freund*innen, die Schule, die Menschen, die wir kennen – wohlfühlen. „Emotional“ heißt: unsere Gefühle betreffend. Und „psychisch“ kommt vom altgriechischen Wort „psyche“, das so viel wie „Seele“, „Bewusstsein“, „Gemüt“ bedeutet.
Bei Mental Health geht es also um unser allgemeines – körperliches, emotionales und geistiges – Wohlbefinden. Darüber hinaus geht es um unsere positive Einstellung zu uns selbst und zu unserem Umfeld – auch dann, wenn es da und dort Probleme gibt. Jede*r kann sich glücklich schätzen, die*der das von sich sagen kann. Die Wirklichkeit sieht aber leider oft anders aus.
Die Symptomliste
Viele klagen darüber, dass sie sich von allem überfordert fühlen, dass sie „depri“ sind, dass sie „keine Lust zu gar nix“ haben und sich zu nichts aufraffen können. Die einen ziehen sich zurück, fressen alles in sich hinein, sind kaum ansprechbar. Andere haben hie und da unbestimmte Ängste und sogar Gefühle von Panik. Wieder andere bekommen Essstörungen, das heißt, sie essen zu wenig oder anfallsartig und unkontrolliert viel zu viel und müssen sich dann übergeben. Oder sie „ritzen“ sich: Sie schneiden sich in die Haut, um sich selbst wehzutun. Mädchen haben übrigens häufiger Essstörungen bzw. verletzen sich öfter als Burschen. Die wiederum greifen häufiger zu Alkohol oder Drogen, um mit ihren Problemen fertigzuwerden. Was KEINE Lösung ist: Sie schütten damit ihre Probleme zu und handeln sich später noch viel größere ein.
Das alles sind Symptome dafür, dass wir unsere Ausgeglichenheit und vielleicht auch unsere Lebensfreude verloren haben und irgendwie in eine Schieflage geraten sind. „Symptome“ sind Hinweise darauf, dass etwas nicht in Ordnung ist. Oft wissen wir selbst nicht genau, was nicht stimmt.
Die gute Nachricht
Wir haben jetzt viele Symptome aufgezählt, und das waren noch lange nicht alle. Aber hier kommt die gute Nachricht: Für jedes Symptom gibt es bewährte Lösungsansätze.
In jedem Fall sollten wir uns damit auseinandersetzen, was uns belastet. Haben wir zu viel Druck? Nehmen wir Druck raus, finden wir unseren eigenen Rhythmus, statt uns von allen anderen antreiben zu lassen. Fühlen wir uns von jemandem missverstanden? Sprechen wir es direkt mit ihm oder ihr an! Haben wir ein Problem, mit dem wir allein nicht klarkommen? Vertrauen wir uns doch einer*einem Freund*in an. Oder jemandem aus unserer Familie.
Ein gutes Gespräch kann unglaublich viel helfen: Wir lassen die innere Spannung raus, sehen uns das Problem mit vier Augen und aus größerer Distanz an und kommen oft drauf, dass wir nicht die Einzigen sind, die es haben.
Viele Schwierigkeiten können wir allein oder mithilfe von uns nahestehenden Menschen lösen. Aber wenn wir es so nicht schaffen, ist auch nix verhackt: Es gibt eine Menge Spezialist*innen (Berater*innen, Therapeut*innen, Psycholog*innen, Psychiater*innen usw.), die viel Erfahrung im Umgang mit Problemen und psychischen Krisen haben. Sie sind auch leicht zu kontaktieren. Die Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche Rat auf Draht beispielsweise kann rund um die Uhr angerufen werden. Siehe unser Gespräch mit deren Leiterin Birgit Satke; siehe auch unsere Tipps & Links.
Probleme zu haben ist ganz normal
Das Wichtigste überhaupt ist, dass wir uns unseren emotionalen Problemen oder unseren psychischen Krisen stellen, statt sie zu ignorieren oder davor davonzulaufen. Es zeugt von Mut, das zu tun. Und es ist auch überhaupt keine Schande, Hilfe von außen zu suchen, wenn man selbst gerade nicht weiterweiß.
Übrigens ist es völlig normal, Probleme zu haben. Alle haben welche, und das in jedem Alter. Und wenn du ein bisschen nachfragst, hat auch so gut wie jede*r immer wieder mal eine psychische Krise gehabt. Das Leben ist nun mal kein Ponyhof!
Zahlen & Fakten
Auf wie vielen Säulen baut unser psychisches Wohlbefinden auf? Wie steht es um die Zufriedenheit von Schüler*innen mit ihrem Leben? Wie viele Beratungsgespräche führt Rat auf Draht an nur einem einzigen Tag? Schau dir dazu folgende Zahlen & Fakten an.
6 Säulen
Laut der US-amerikanischen Psychologin Carol Ryff und ihrem Well-Being-Modell beruht unser Wohlbefinden auf 6 Säulen.
- Selbstliebe
- Positive Beziehungen
- Lebensziel
- Persönliches Wachstum
- Autonomie (selbst Entscheidungen treffen)
- Möglichkeit, das eigene Umfeld mitzugestalten
Das Modell von Carol Ryff ist nur eines von vielen. Es kann dir aber helfen, über dein eigenes Wohlbefinden nachzudenken.
Quelle
Ryff, Carol (1989). Happiness is everything, or is it? Explorations on the meaning of psychological wellbeing. Journal of Personality and Social Psychology, 57, 1069–1081
31 Prozent
Fast jedes dritte Mädchen (31%) ist mit seinem Leben nicht zufrieden. Bei den Burschen ist es ungefähr jeder Fünfte (19%). Das ergab eine Befragung von 7.000 Schüler*innen im Alter von 11 bis 17 Jahren.
Quelle
Gesundheit Österreich GmbH (GÖG), 2021/22
250 Beratungen am Tag
Ungefähr 250 Jugendliche und Kinder wenden sich jeden Tag an 147, die Notrufnummer von Rat auf Draht.
Quelle
Im Gespräch mit ...
Was kann ich tun, um mental gesund zu bleiben? Warum nehmen Belastungen unter den Jüngeren immer mehr zu? Wie merke ich, dass etwas nicht stimmt? Darüber haben wir mit Birgit Satke, der Leiterin der Notrufnummer von Rat auf Draht, gesprochen. Antworten darauf, wie man psychische Belastungen überwindet, haben wir von Hannah (15), Lukas (16) und Lena (13) erhalten, die von ihren eigenen Erfahrungen berichten.
Birgit Satke
Birgit Satke Notrufnummer 147 bei Rat auf Draht, einer psychosozialen Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche. Sie und ihr Team sind 24 Stunden am Tag unter 147 ohne Vorwahl erreichbar und beraten Kinder und Jugendliche zu Anliegen aller Art – anonym und kostenlos.
leitet schon seit langer Zeit die
Der Anstieg war zuletzt deutlich merkbar. In der Vergangenheit hatten wir viele Anfragen zu Themen wie Streit im Freundeskreis, Liebeskummer oder Sexualität. Nun machen sich Jugendliche auch immer mehr Sorgen um ihre psychische Gesundheit oder klagen über schulische Überforderung.
Erste Anzeichen sind Veränderungen im Verhalten: Ich ziehe mich von meinem Freundeskreis zurück. Aktivitäten, die mir wichtig waren, machen plötzlich keinen Spaß mehr. Vielleicht habe ich das Gefühl, dass mir alles zu viel wird. Manche bekommen auch körperliche Beschwerden wie ständiges Kopf- oder Bauchweh.
Über Probleme reden ist ganz wichtig. Oft hilft es schon, wenn man die Dinge anspricht. Man kann sich dazu den eigenen Eltern oder anderen Erwachsenen, zu denen man ein gutes Verhältnis hat, anvertrauen.
Nicht immer passt es im eigenen Umfeld. Manchmal haben die Jugendlichen auch Angst, die eigenen Eltern mit ihren Problemen zu sehr zu belasten. Dann können sie sich an uns wenden. Unsere Berater*innen stehen kostenlos zur Verfügung. Wer bei uns anfragt, bleibt anonym. Man braucht den eigenen Namen also nicht zu nennen.
Hannah, Lukas und Lena
Rat auf Draht gemeldet, Hannah. Warum?
Du hast dich beiEssanfälle. Danach übergebe ich mich. Ich möchte das nicht und ich wollte auch nicht zunehmen.
Wenn es mir nicht gut geht, bekomme ichIm Chat hat mir eine Beraterin erklärt, dass es sich dabei um eine Essstörung handelt. Wir haben gemeinsam überlegt, wo die Ursachen liegen könnten und wie ich Stress und Angst anders loswerden kann. Ich finde es gut, dass es den Chat gibt. Anrufen hätte ich mich nicht getraut.
Du hast dir Hilfe gesucht, Lukas. Was war los?
Ich war ein halbes Jahr im Ausland, bei einer Familie in England, wo ich auch die Schule besucht habe. Danach hatte ich in der Schule viel nachzulernen. Dazu sind dann noch Probleme daheim gekommen – ständiger Streit mit den Eltern, besonders mit meinem Vater.
Um runterzukommen, habe ich mit dem Kiffen begonnen. Am Anfang hat mir das geholfen. Mit der Zeit habe ich mich aber verändert: Ich habe mich verfolgt gefühlt, war unruhig und wollte mein Zimmer nicht mehr verlassen.
Ich habe lange geschwiegen und mich immer mehr zurückgezogen. Schließlich habe ich mit meinen Eltern darüber gesprochen. Die sind mit mir zur Psychiaterin gegangen. Allein wäre ich mit der Situation nicht fertiggeworden. Heute geht es mir viel besser.
Was war bei dir los, Lena?
überfordert und energielos gefühlt. Irgendwann bin ich in der Früh gar nicht mehr aufgestanden.
Ich war eigentlich immer eine gute Schülerin. Dann kam Corona. Mit dem Homeschooling bin ich nicht zurechtgekommen. Ich habe meine Freundinnen vermisst, michHeute achte ich viel mehr auf mich. Ich nehme mir Zeit für meine Freundinnen und meine Hobbys. Später möchte ich einmal studieren und Ärztin werden. Die Schulnoten sind daher wichtig für mich, aber sie sind nicht alles.
Quiz
Prüfe dein Wissen zum Thema Mental Health.
Was glaubst du: Sind psychische Belastungen bei Jugendlichen in den vergangenen Jahren ...?
mehr geworden
weniger geworden
gleich geblieben
Leider sind die psychischen Belastungen bei Jugendlichen vor allem seit Corona deutlich mehr geworden.
Wie heißt eine bekannte österreichische Beratungsstelle für Jugendliche?
Gut für Mut
Die Nummer für Kummer
Rat auf Draht
Rat auf Draht steht dir unter der Notrufnummer 147 rund um die Uhr kostenfrei zur Verfügung. Der Kontakt ist anonym und kostenlos. Du musst weder Name noch Adresse noch Alter bekanntgeben. Ein Anruf bei 147 erscheint auch nicht auf deiner Telefonrechnung.
Was können Zeichen dafür sein, dass ein*e Freund*in psychisch belastet ist?
Sie*Er hat auf nichts mehr Lust.
Sie*Er zieht sich immer mehr zurück.
Sie*Er wirkt überfordert.
Wenn du beobachtest, dass ein*e Freund*in auf nichts mehr Lust hat und/oder sich immer mehr zurückzieht oder insgesamt überfordert wirkt, kann das ein Zeichen dafür sein, dass sie*er psychisch überlastet ist.
Du hast das Gefühl, dass es einer*einem Freund*in schlecht geht. Was machst du als Erstes?
Ich rede mit dem Klassenvorstand darüber.
Ich rede mit ihm darüber.
Ich lasse ihn in Ruhe.
Es ist menschlich, Probleme zu haben. Oft hilft es den Betroffenen, wenn man sie anspricht und ihnen die Möglichkeit gibt, über ihre Sorgen zu reden.
Sorgen lassen dich schlecht einschlafen. Was kannst du tun?
Ich trinke Alkohol.
Ich spiele eine Runde „Brawl Stars“ auf dem Handy.
Ich rede mit jemandem darüber.
Über Sorgen reden tut gut. Am besten mit Menschen, denen du vertraust und die dir wirklich zuhören. Das können Erziehungsberechtigte oder gute Freund*innen sein.
Tipps & Links
Druck und Stress im Alltag sind manchmal groß – in der Schule, in der Familie oder mit Freund*innen. Das Gedankenkarussell dreht sich, Konzentration und Einschlafen fallen schwer. Einige Tricks helfen dabei, sich zu beruhigen.
Einfach atmen
Gerade bei Ängsten sind Atemübungen gut zum Runterkommen. So geht’s:
- Durch die Nase einatmen und dabei in Gedanken bis 5 zählen. Wichtig ist es, in den Bauch zu atmen. Du solltest spüren, wie sich der Bauch nach außen wölbt.
- Durch den Mund ausatmen und in Gedanken bis 7 zählen. Dabei die Schultern locker lassen oder sogar bewusst nach unten ziehen.
- Das Ganze wiederholst du ein paar Mal, bis du dich ruhiger fühlst. Ein und aaaus. Und ein und aaaus.
Einfach reden
Je mehr man ein Problem in sich hineinfrisst, umso größer wird es. Geteiltes Leid ist halbes Leid.
Hast du Menschen, denen du dich anvertrauen kannst? Das können deine Eltern sein, Verwandte oder gute Freund*innen. Oder vielleicht fällt es dir leichter, mit jemandem von einer Beratungsstelle wie z.B. Rat auf Draht zu reden.
Es gibt jemanden in deinem Freundeskreis, die*der sich immer mehr zurückzieht? Du machst dir deswegen Sorgen? Frag, wie es der Person geht! Mach klar, dass du für sie da bist! Damit ist schon viel geholfen.
Einfach schlafen
Ein geregelter Tagesrhythmus hilft beim Ein- und Durchschlafen. Schlafrituale stimmen Körper und Geist auf die Ruhephase ein: Mach einen kurzen Spaziergang oder hör dir entspannende Musik an! Auch ein Glas Milch (mit oder ohne Honig) oder eine Tasse Kräutertee vor dem Schlafengehen sind eine gute Idee.
Nicht so gut ist es, unmittelbar vor dem Schlafengehen einen Film anzusehen, Computer zu spielen oder auf dem Handy herumzutippen. Das blaue Licht des Displays ist ein „Schlafkiller“.
Weiterführende Links
Wer noch mehr Informationen zum Thema „Mental Health“ sucht, findet diese in unserer Link-Sammlung
Skills für Kopf und Körper – viele Tipps, Tricks und Tests zur psychischen Gesundheit finden sich in dieser Jugendinfo-Broschüre zum Herunterladen:
Beratung für Kinder und Jugendliche zu jeder Zeit, kostenlos und anonym bietet Rat auf Draht:
Gute Tipps gibt die Facebook-Seite von Rat auf Draht:
Bei der Aktion „Gesund aus der Krise” werden psychologische Behandlungen kostenlos angeboten:
In Wien ist „veRRückte Kindheit” zu Hause. Geboten wird persönliche Beratung und Online-Beratung für Jugendliche ab 12 aus psychisch belasteten Familien:
Jedes sechste Kind in Österreich wächst mit einem psychisch erkrankten Elternteil auf. Mehr dazu in diesem Podcast:
Weitere wichtige Links